Buchhorn
Vorgeschichte: Jungsteinzeit, Kelten und Römer
Die Anfänge der Besiedlung des nördlichen Bodenseeufers reichen in die prähistorische Zeit hinein, als das Friedrichshafener Becken um ca. 4000 v. Chr. von jungsteinzeitlichen Jägern und Fischern, später von sesshaften Ackerbauern (‚Schussenrieder Gruppe‘) besiedelt wurde. Danach sind verschiedene keltische Stämme, ab dem 1. Jh. n. Chr. römische Rodungen und Siedlungen nachweisbar. Keltisch-römische Siedlungsnamen wie der kleine Fluss *Ach (Rotach) sind uns im Bereich des späteren Buchhorn nicht überliefert. Mit Ausnahme von zwei beim Bau der Uferstraße entdeckten Münzen sind keine weiteren vorgeschichtlichen Funde in der Friedrichshafener Altstadt bekannt. Die Flurnamen, die mittelbar eine römische Besiedlung oder Nutzung widergeben, liegen nur wenige Kilometer weiter westlich bzw. nördlich, so der Mauer- und der Römerweg in Friedrichshafen-Jettenhausen sowie die im Stadtteil Hofen gelegene Hochstraße.
In der zweiten Hälfte des 4. Jh.s werden die alemannischen Lentienser zwischen Donau, Bodensee und Iller als angriffslustiger Stamm genannt, der aber schon gegen Ende des 4. Jh.s infolge von Niederlagen gegen die römischen Truppen aufgerieben wurde. Von ihnen blieb nur der von keltisch *lentia abgeleitete Namen des Linzgaus, der als Teil der ‚Raetia Secunda‘ oder ‚Vindelica‘ ab Beginn des 5. Jh.s erst nach und nach von den verschiedenen germanischen bzw. alemannischen Stämmen besiedelt wurde. Als Folge dieser beständigen und zumeist friedlichen Landnahme hat sich im Laufe von vier Jahrhunderten eine Siedlung in der Nähe des Landvorsprungs (alemannisch ‚Horn‘ oder ‚Hörnle‘) an der Hochstraße gebildet. Die germanisch-alemannischen Verbände mischten sich dabei mit den eingesessenen kelto-römischen Familien, und nur langsam verdrängten die alemannischen Dialekte die gallo-lateinische Sprache.
Das ältere Buchhorn wurde wohl schon im 9. Jh. Hauptsitz des alemannischen Grafengeschlechts der Ulriche (auch: Geroldinger oder Udalrichinger) aus Bregenz bzw. des von ihm abgehenden Zweigs der Grafen von Buchhorn. Der männliche Stamm dieses Grafengeschlechts soll bis hinauf zum fränkischen Adeligen Gerold (+ nach 784), Graf im Kraichgau und Anglachgau, reichen, welcher der Vater der Hildegard (758-783), der dritten Frau Karls des Großen, und mutmaßlich auch der Vater des Grafen Udalrich I. (* um 778 + vor 824) gewesen sein soll. Diese Königsnähe war sicherlich Anspruch und Begründung des Grafengeschlechts, das zunächst in Bregenz, dann in Lindau und ab dem 9. Jh. in Buchhorn regiert haben soll. Dieses im Jahr 839 n. Chr. erstmals erwähnte ältere Buchhorn spielte in seiner Funktion als Verwaltungs- und Gerichtsort für die Region eine verhältnismäßig bedeutende Rolle. Als Grablege der Ulriche wurde das im späteren Hofen gelegene Benediktinerinnen-Kloster um 1085 gegründet.
Nach der Verschiebung des Siedlungsnamens einige hundert Meter nach Osten (heutige Altstadt) verlor das ältere Buchhorn seinen Namen bzw. bezeichnete sich das Benediktinerinnen-Kloster ab 1245 als Kloster Hofen. Das um 1200 neu gegründete Buchhorn umgab sich bald mit einer Stadtmauer; die erste schriftliche Erwähnung Buchhorns als Stadt („minister civitatis in Bůchorn“) hingegen ist erst für das Jahr 1274 überliefert, bei der Regelung des Besitzrechts eines Gartens zwischen dem Buchhorner Bürger Nikolaus und dem Salemer Abt. Wie der nicht mehr vorhandene Beweis der Markt- und Stadtgründung ist auch die Erhebung Buchhorns zur Reichsstadt nicht mehr direkt mit Quellen zu belegen. Obwohl die Neugründung Buchhorns sicherlich günstigere Entwicklungschancen bot als der Standort des älteren Buchhorns (Hofen), konnte sich die Reichsstadt Buchhorn wirtschaftlich kaum entwickeln.
Beim jüngeren Buchhorn handelte es sich um eine trapezförmige Anlage der Stauferzeit. Deren Grundriss wies ein Flächenmaß von nur 0,0367 km² auf. Als horizontale Verkehrsachsen dienten die Vordere Gasse (heutige Karlstraße) und die Hintere Gasse sowie die Goldschmidgasse (heute: Goldschmiedstraße). Die Hintere Gasse/Goldschmiedstraße wurde im Westen von einem viereckigen Marktplatz und der Pfarrkirche St. Nikolaus (ab 1325) abgeschlossen. Eine vertikale Achse stellt die Obertorgasse (heute: Wilhelmstraße) bzw. als Verlängerung die Dammgasse dar. Die Entfernung zwischen dem Oberen Tor (am nördlichen Beginn der Wilhelmstraße) und dem Unteren Tor (am westlichen Ende der Karlstraße) betrug etwas mehr als 300 Meter. Ein dritter Turm, der Diebs- oder Pulverturm, lag im Nordwesten der Stadt. Das Türlis- oder Seetor bildete im Osten den Zugang nach Eriskirch und Lindau. Alle Tore waren durchgehend mit der Stadtmauer verbunden und wurden, wie diese, in der Mitte des 19. Jh.s abgebrochen.
Die in den Bodensee führende offene Kanalisation sowie die Wasch- und Badehäuser am Unter- und Obertor bzw. im Hof des Salzstadels dienten als wichtige Orte der Hygiene. Kranke wurden bis zum Anfang des 19. Jh.s in das jenseits der Rotach gelegene und 1476 erwähnte Siechenhaus untergebracht. Für betuchte Bürger war als Altenversorgung das 1427 erstmals erwähnte ‚Spital zum Heiligen Geist‘ beim westlichen Stadttor vorgesehen. Die Richtstätte lag ebenso wie Siechenhaus und Schießstätte (Ecke Paulinen- / Kleinebergstraße) im Galgenöschle außerhalb der Stadtmauer (Einmündung der Katharinen- in die Margaretenstraße). Die Grablege der Buchhorner war bis 1629 beim Kloster Hofen bzw. vorübergehend bei der Nikolaus-Kapelle, bevor diese als Seefriedhof an den westlichen Stadtrand verlagert wurde. Die einzige klosterähnliche Gemeinschaft der Reichsstadt war der im 13. Jh. entstandene Beginenhof ‚Weiße Sammlung‘ (Kirchplatz), welcher 1640 dem Dominikanerinnen-Kloster in Löwental einverleibt wurde. Eine Gebietserweiterung stellte die 1472 vom Domstift Konstanz erworbene Herrschaft Baumgarten mit dem Dorf Eriskirch dar, die bis zum Verlust der Reichsfreiheit (1802) zu Buchhorn gehörte.
Das Buchhorner Rathaus war bis 1828 an der Vorderen Gasse (Karlstraße) zwischen Gredhaus und Salzstadel wenig repräsentativ untergebracht. Gemäß reichsstädtischer Stadtverfassung bestand der Buchhorner Magistrat aus Bürgermeister, Stadtammann (zuständig für Steuern, Sicherheit und Recht), dem Eriskircher Vogt und aus Vertretern der vier Zünften: Bäcker, Fischer, Rebleute und Schmiede. In den Äußeren oder Großen Rat wurden zusätzlich zwölf Zunftvertreter berufen, so dass das Plenum insgesamt 26 Personen umfasste. Als die Kornkammern Oberschwabens für die Ausfuhr in die Schweiz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges stärker nachgefragt wurden, lag Buchhorn verkehrsmäßig günstig. Es gab regelmäßige Fahrten nach Lindau, Fussach und Stein am Rhein, wobei die Last-Segelschiffe für die Rückfahrt wieder Güter aus der Schweiz mitnahmen. Den wichtigen Salzhandel zogen die Wittelsbacher 1755 zugunsten der klammen Buchhorner Stadtkasse von Lindau ab. So konnte sich der Buchhorner Magistrat bis zum Ende des Alten Reichs mit Abgeordneten einer fünften Zunft, den Schiffsleuten, verstärken.
Das Ende der reichsstädtischen Herrlichkeit
Für Buchhorn war das entscheidende Datum der Mediatisierung der 8. Dezember 1802. An diesem Tag verlor die Reichsstadt ihre Reichsunmittelbarkeit. Die Stadt wurde von einer kleinen bayerischen Truppe von 33 Soldaten unter Kommissar Ferdinand Freiherr von Schleich besetzt. Die neuen Territorialherren wollten nicht so lange warten und beschlagnahmten vorsorglich die ihnen von Frankreich als Gebietsausgleich zugesprochenen Territorien. Hinsichtlich dieser militärischen Besetzung Buchhorns gab es seitens der Bevölkerung keinerlei Widerstand. Die Stadtverwaltung bestand nun aus einem bayerischen Stadtkommissar, Bürgermeister, Kanzleiverwalter, sechs Senatoren, elf Männern des Äußeren Rats, einem Rats- bzw. Polizeidiener, einem Schullehrer bzw. Organist, Mesner, Gredmeister, zwei Torwächtern, vier Gredknechten (inklusive Nachtwächter), einer Hebamme, drei Bannwarten (inklusive Scharfrichter), Stadtkaplan und Stadtarzt. Buchhorn gehörte bis zum Jahr 1810 zum Staat Bayern und kam danach an Württemberg.