Archivordnung
Archivordnung
Aufgrund von § 4 der Gemeindeordnung (GemO) für Baden-Württemberg in der Fassung vom 24. Juli 2000 (GBl. S. 581, berichtigt S. 698), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften vom 19.06.2018 (GBl. S. 221) , von § 7 Abs. 3 des Gesetzes über die Pflege und Nutzung von Archivgut vom 27. Juli 1987 (GBl. S.230), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 17.12.2015 (GBl. S. 1201), und der §§ 2 und 11 des Kommunalabgabengesetzes für Baden-Württemberg vom 17. März 2005, zuletzt geändert durch Art. 3 Änderungsgesetz vom 7.11.2017 (GBl. S. 592), hat der Gemeinderat der Stadt Friedrichshafen am 19.11.2018 folgende Archivordnung erlassen:
§ 1 Stellung und Aufgaben
- Das Stadtarchiv ist eine von der Stadt Friedrichshafen getragene öffentliche Einrichtung.
- Das Stadtarchiv hat die Aufgabe, Unterlagen von bleibendem Wert im Sinne von § 2 Abs. 2 LArchG mit den entsprechenden Amtsdrucksachen zu verwahren, zu erhalten, zu erschließen und allgemein nutzbar zu machen.
Unterlagen im Sinne von Satz 1 sind insbesondere Schriftstücke, Akten, Karteien, Karten, Bilder, Pläne, Bild-, Film- und Tonmaterialien sowie sonstige Informationsträger und maschinenlesbar auf diesen gespeicherte Informationen sowie die zur Auswertung benötigten Programme. - Das Stadtarchiv hat alle bei den Dienststellen, Eigenbetrieben und Einrichtungen der Stadt sowie deren Funktionsvorgängern angefallenen Unterlagen, die zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden, auf ihre Archivwürdigkeit hin zu prüfen und die als archivwürdig erkannten Teile als Archivgut zu übernehmen.
Das Stadtarchiv kann Archivgut anderer Stellen und Personen übernehmen, soweit ein sinnvoller Bezug zur Stadtgeschichte gegeben ist und ein öffentliches Interesse daran besteht. Ein Anspruch auf die Übernahme besteht nicht. - Das Stadtarchiv sammelt die für die Geschichte und Gegenwart der Stadt Friedrichshafen bedeutsamen Unterlagen und Gegenstände (Museale Sammlung) und erschließt diese für die Öffentlichkeit. Es unterhält eine Archivbibliothek als Präsenzbibliothek.
- Das Stadtarchiv fördert die Erforschung und Kenntnis der Stadt- und Heimatgeschichte durch Auskünfte, Beratung, Veröffentlichungen, Ausstellungen und in anderer geeigneter Form.
§ 2 Übernahme von Archivgut
Die Dienststellen, Eigenbetriebe und Einrichtungen der Stadt zeigen in regelmäßigen Abständen an, welche Unterlagen sie für den laufenden Dienstbetrieb und die Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigen, und bieten diese dem Stadtarchiv an. Unabhängig davon sind alle Unterlagen jedoch spätestens 30 Jahre nach ihrer Entstehung dem Stadtarchiv anzubieten, sofern durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften nicht längere Aufbewahrungsfristen vorgesehen sind. Das Stadtarchiv entscheidet über die Übernahme von Unterlagen, denen historischer Wert zukommt. Auswahl und Form der Übernahme maschinenlesbar gespeicherter Informationen und Programme vereinbart das Stadtarchiv mit der anbietenden Stelle.
§ 3 Sperrfristen
- Archivgut darf nicht vor Ablauf von 30 Jahren nach Entstehung der Unterlagen genutzt werden.
- Archivgut, das Rechtsvorschriften über Geheimhaltung unterlag, darf frühestens 60 Jahre nach Entstehung der Unterlagen genutzt werden.
- Archivgut, das sich nach seiner Zweckbestimmung auf eine natürliche Person bezieht, darf frühestens zehn Jahre nach deren Tod genutzt werden. Ist der Todestag nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand feststellbar, endet die Sperrfrist neunzig Jahre nach der Geburt. Ist auch das Geburtsjahr dem Archiv nicht bekannt, endet die Sperrfrist für personenbezogenes Archivgut sechzig Jahre nach Entstehung der Unterlagen.
- Die Sperrfristen nach Absatz 1 bis 3 gelten nicht für Unterlagen, die bereits bei ihrer Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt oder der Öffentlichkeit zugänglich waren.
- Vor Ablauf von Sperrfristen kann das Stadtarchiv Auskünfte aus dem Archivgut erteilen, soweit Rechtsvorschriften oder vertragliche Vereinbarungen dem nicht entgegenstehen. Rechtsansprüche auf Einsichtnahme, die sich aus kommunalrechtlichen Bestimmungen ergeben, bleiben unberührt.
§ 4 Verkürzung bzw. Verlängerung von Sperrfristen
- Die Sperrfristen nach § 3 können im Einzelfall um höchstens 20 Jahre verlängert werden, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt oder wenn schutzwürdige Belange des Betroffenen dies erfordern.
- Die Sperrfristen nach § 3 können im Einzelfall verkürzt werden, wenn schutzwürdige Belange des Betroffenen nicht entgegenstehen.
Eine Verkürzung der Sperrfrist ist nur zulässig, wenn die Person, auf die sich das Archivgut bezieht, oder im Falle ihres Todes ihr Ehegatte, ihre Kinder oder ihre Eltern eingewilligt haben oder wenn die Nutzung zu wissenschaftlichen Zwecken, zur Wahrnehmung berechtigter Belange, die im überwiegenden Interesse einer anderen Person oder Stelle liegen, unerlässlich ist und durch Anonymisierung oder durch andere Maßnahmen die schutzwürdigen Belange des Betroffenen berücksichtigt werden. Bei einer Nutzung zu wissenschaftlichen Zwecken kann von einer Anonymisierung abgesehen werden, wenn das wissenschaftliche Interesse an der Offenbarung wegen der Bedeutung des Forschungsvorhabens die schutzwürdigen Belange des Betroffenen erheblich überwiegt und das Forschungsvorhaben sonst nicht durchgeführt werden könnte. - Die Entscheidung über eine Verlängerung oder Verkürzung von Sperrfristen trifft das Stadtarchiv. Eine Verkürzung muss schriftlich unter eingehender Begründung beantragt werden.
§ 5 Nutzung des Stadtarchivs
Jeder hat nach den Regeln dieser Archivordnung das Recht, das Archivgut im Rahmen der Sperrfristen zu nutzen, soweit sich aus Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen mit derzeitigen oder früheren Eigentümern des Archivguts nichts Anderes ergibt.
§ 6 Nutzungserlaubnis
- Die Erlaubnis zur Nutzung von Archivgut erteilt die Archivleitung auf schriftlichen Antrag des Benutzers. Die Nutzungserlaubnis gilt jeweils nur für den angegebenen Zweck und Gegenstand.
- Der Benutzer hat sich auf Verlangen auszuweisen.
- Die Nutzung des Stadtarchivs ist einzuschränken oder zu versagen, soweit
- Grund zu der Annahme besteht, dass das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder einem ihrer Länder gefährdet würde,
- Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange Dritter entgegenstehen,
- der Erhaltungszustand des Archivguts gefährdet würde oder
- ein nicht zu vertretbarer Verwaltungsaufwand entstehen würde oder
- Vereinbarungen mit derzeitigen oder früheren Eigentümern entgegenstehen.
- Die Nutzung des Stadtarchivs kann aus anderen wichtigen Gründen eingeschränkt oder versagt werden, insbesondere wenn
- Grund zu der Annahme besteht, dass das Wohl der Stadt Friedrichshafen gefährdet sein könnte,
- der Antragsteller wiederholt oder schwerwiegend gegen die Archivordnung verstoßen oder ihm erteilte Auflagen nicht eingehalten hat,
- der Ordnungszustand des Archivguts eine Nutzung noch nicht zulässt,
- das Archivgut aus dienstlichen Gründen oder wegen gleichzeitiger anderweitiger Benutzung nicht verfügbar ist,
- der Nutzungszweck anderweitig, insbesondere durch Einsichtnahme in Reproduktionen oder andere Druckwerke erreicht werden kann.
- Die Nutzungserlaubnis kann mit Nebenbestimmungen (z.B. Auflagen, Bedingungen, Befristung) versehen werden. Sie kann widerrufen werden, wenn
- Angaben im Nutzungsantrag nicht oder nicht mehr zutreffen,
- nachträglich Gründe bekannt werden, die zur Versagung der Nutzung geführt hätten,
- der Benutzer gegen die Archivordnung verstößt oder ihm erteilte Auflagen nicht einhält,
- der Benutzer Urheber- oder Persönlichkeitsrechte oder schutzwürdige Belange Dritter oder der Stadt Friedrichshafen nicht beachtet.
- Der Benutzer hat bei der Auswertung des Archivguts die Rechte und schutzwürdigen Interessen der Stadt Friedrichshafen, die Urheber-, Nutzungs- und Persönlichkeitsrechte Dritter und deren schutzwürdige Belange zu wahren. Der Benutzer stellt die Stadt insoweit von Ansprüchen Dritter frei. Belegstellen sind anzugeben.
§ 7 Ort und Zeit der Nutzung
Archivgut kann grundsätzlich nur während der festgesetzten Öffnungszeiten im Benutzerraum des Stadtarchivs genutzt werden. Die vor Ort ausgehängte Benutzungsordnung ist zu beachten.
§ 8 Ausgabe und Behandlung von Archivgut
- Aus dienstlichen Gründen kann jeweils nur eine beschränkte Anzahl von Archivgut (Archivalien) vorgelegt werden. Die bestellten Archivalien sind am Ende der täglichen Benutzungszeit zurückzugeben. Sie können für eine begrenzte Zeit zur weiteren Nutzung bereitgehalten werden.
- Die vorgelegten Archivalien sind sorgfältig zu behandeln und in gleicher Ordnung und in gleichem Zustand, wie sie vorgelegt wurden, wieder zurückzugeben. Es ist untersagt, Archivalien zu beschädigen, z. B. Striche und Bemerkungen anzubringen, verblasste Stellen nachzuziehen, zu radieren oder Archivalien als Schreibunterlage zu verwenden.
- Bemerkt der Benutzer Schäden an Archivalien, so hat er sie unverzüglich dem Aufsichtspersonal anzuzeigen.
§ 9 Haftung
- Der Benutzer haftet für von ihm verursachte Verluste oder Beschädigungen am zur Nutzung überlassenem Archivgut oder sonstigen Materialien, zur Nutzung überlassenen technischen Einrichtungen sowie sonstigen bei der Nutzung verursachten Schäden. Dies gilt nicht, wenn der Benutzer nachweisen kann, dass ihn kein Verschulden trifft.
- Für Sach- oder Vermögensschäden, die dem Benutzer durch die Nutzung des Archivs entstehen, haftet die Stadt nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung.
§ 10 Verhalten im Benutzerraum
Die Benutzer sollen sich im Benutzerraum so verhalten, dass kein anderer behindert oder belästigt wird.
§ 11 Belegexemplare
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Die Benutzer sind verpflichtet, von Arbeiten, die unter wesentlicher Verwendung von Archivgut des Stadtarchivs Friedrichshafen verfasst worden sind, diesem sofort nach der Veröffentlichung ein Belegexemplar kostenlos und unaufgefordert zu überlassen. Dies gilt auch für ungedruckte Arbeiten wie etwa Examensarbeiten oder Manuskripte. § 6 Abs.7 LArchG gilt entsprechend.
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Beruht die Arbeit nur zum Teil auf Archivgut des Stadtarchivs Friedrichshafen, so hat der Benutzer diesem kostenlos Kopien der entsprechenden Seiten zur Verfügung zu stellen. In jedem Fall ist die Drucklegung einer solchen Arbeit dem Stadtarchiv unter genauer Angabe der bibliografischen Daten anzuzeigen.
§ 12 Reproduktionen
- Die Anfertigung von Reproduktionen jeder Art bedarf der Genehmigung des Archivleiters. Die eigene Anfertigung von Scans, fotografischen Aufnahmen etc. ist nicht gestattet. Reproduktionen dürfen nur für den freigegebenen Zweck und unter Angabe der Quelle Stadtarchiv Friedrichshafen verwendet werden.
- Von jeder Reproduktion und von jeder Veröffentlichung einer Reproduktion ist dem Stadtarchiv Friedrichshafen auf Verlangen ein Belegexemplar kostenlos zu überlassen.
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Die Herstellung von Reproduktionen fremden Archivguts ist nur möglich, wenn die schriftliche Genehmigung des Eigentümers vorliegt.
§ 13 Versand von Archivgut
- Eine Versendung von Archivgut erfolgt nur an auswärtige Archive, Museen, Bibliotheken oder andere öffentliche Einrichtungen, die eine sachgemäße Behandlung gewährleisten, und nur, sofern eine Versendung nach Umfang und Erhaltungszustand des angeforderten Archivguts möglich ist.
- Zum Versand freigegebenes Archivgut ist angemessen zu versichern.
§ 14 Nutzung fremden Archivguts
Für die Nutzung von Archivgut, das von anderen Archiven übersandt wird, gilt die Bedingungen dieser Ordnung, sofern die übersendende Stelle nicht anders lautende Auflagen macht.
§ 15 Gebühren
- Für die Inanspruchnahme von Leistungen des Stadtarchivs werden Gebühren und Auslagen erhoben. Für die Festsetzung und Erhebung der Gebühren und Auslagen gilt gemäß § 1 Satz 3 i. V. m. § 4, 3, das Kommunalabgabengesetz (KAG). Für die sachliche bzw. persönliche Gebührenfreiheit gelten die Bestimmungen des § 9 resp. § 10, 1, Sätze 1 und 2, sowie Absatz 2, 5 und 6 Landesgebührengesetz entsprechend, soweit Gegenseitigkeit besteht.
- Die Höhe der Gebühren richtet sich nach dem Gebührenverzeichnis, welches Bestandteil dieser Archivordnung ist (Anlage). Soweit diese Satzung nichts Besonderes bestimmt, gelten die Vorschriften der Verwaltungsgebührensatzung der Stadt Friedrichshafen in der jeweils gültigen Fassung über die Gebührenfreiheit, den Gebührenschuldner, die Gebührenhöhe, die Entstehung und Fälligkeit der Gebühr sowie die Auslagen entsprechend. Das Vorliegen der Gründe für eine Gebührenbefreiung oder Gebührenermäßigung muss auf Nachfrage vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden.
- Zu den vom Schuldner zu tragenden Auslagen zählen auch die Kosten einer Versicherung für Archivgut im Falle der Verleihung oder Versendung, sofern sie vom Stadtarchiv abgeschlossen wird.
§ 16 Inkrafttreten
Diese Satzung tritt am Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung in Kraft.
Friedrichshafen, den 20. November 2018