Die Ab­was­ser­rei­ni­gung in Fried­richs­ha­fen

Das Klärwerk Friedrichshafen ist für die Reinigung von rund zehn Millionen Kubikmeter Abwasser pro Jahr verantwortlich und für die korrekte Einleitung in den Bodensee.
Luftaufnahmen: Klärwerk Friedrichshafen von oben, im Hintergrund der Bodensee und Friedrichshafen

Seit 1965 hilft das Klärwerk Friedrichshafen mit, das Grundwasser sowie den Bodensee als größten Trinkwasserspeicher Europas nachhaltig von Schadstoffen freizuhalten. Derzeit auf die Reinigungsleistung von 87.500 Einwohnergleichwerten ausgelegt, gehört das Klärwerk Friedrichshafen mit einer Jahresmenge von zu reinigendem Abwasser zwischen 8 und 10 Mio. m3 zu den Großklärwerken in der Bodenseeregion. Dabei werden die geklärten Abwässer in Trinkwasserqualität direkt in den Bodensee ausgeleitet.

In vier Rei­ni­gungs­stu­fen zu sau­be­rem Was­ser

Einlaufhebebecken Klärwerk Friedrichshafen: schmale Beton-Kanäle mit Maschine, die Inhalt nach oben befördert
Foto: Achim Mül­ler

Einlaufhebewerk: Das ankommende Abwasser wird mittels Schneckenpumpen auf 8,5 Meter Höhe angehoben, damit es in freiem Gefälle durch die Anlage fließen kann.

Rechenanlage Klärwerk Friedrichshafen: Maschine mit langem Rohr in gekackeltem Raum
Foto: Achim Mül­ler

Rechenanlage: Mechanische Entnahme von Grobstoffen wie Holz, Papier, Kunststoffteilen, deren Volumen anschließend in der Rechengutpresse minimiert wird.

Sand- und Fettfang: Betonbecken mit Wasser gefüllt, im Hintergrund Bäume
Foto: Achim Mül­ler

Sand-/Fettfang: Durch Lufteinblasung werden schwere Sandpartikel von organischem Material getrennt, und Fette und Öle schwimmen auf, so dass diese abgezogen werden können. Zur Vermeidung von Nebenströmungen sind Fettfang- und Sandfangzone durch eine Tauch- und Lamellenwand getrennt.

Anschnitt eines runden Vorklärbeckens, im Hintergrund Bäume
Foto: Achim Mül­ler

Vorklärbecken: Dank der geringen Fließgeschwindigkeit setzen sich Sink- und Schwebstoffe ab und werden als Primärschlamm den Faulbehältern zugeführt. Schwimmschlamm, der im Sand-/Fettfang nicht entnommen werden konnte, wird hier durch eine Schwimmschlammtasche abgezogen.

Belebungsbecken des Klärwerk Friedrichshafen: Wasser in Betonbecken im Hintergrund Faultürme und Bäume
Foto: Achim Mül­ler

Belebungsbecken: Bakterien entfernen organische Partikel oder wandeln diese in Schlamm um. Weitere Stickstoffverbindungen werden über Ammonium zu Nitrat (Nitrifikation) umgesetzt.

Nachklärbecken des Klärwerk Friedrichshafen: rundes Becken mit Metallgitter in Wiese
Foto: Achim Mül­ler

Nachklärbecken: Schlammflocken setzen sich ab und gelangen teilweise in die biologische Stufe zurück oder werden den Faulbehältern als Sekundärschlamm zugeführt.

Weitergehende Reinigungsstufe, meist in Kombination mit der 2. Reinigungsstufe. In der Flockungsfiltration wird das Abwasser auf Filterzellen gepumpt, die aus Quarzsand und Hydroanthrazit bestehen. Durch Zugabe von Fällmitteln und einer Kohlenstoffquelle werden Phosphatverbindungen im Filter zurückgehalten und der Stickstoff biologisch abgebaut.

Ozonunsanlage in Klärwerk in gekacheltem Raum
Foto: Achim Mül­ler

Das Abwasser aus dem Nachklärbecken wird durch den Ozonreaktor geführt. Dabei wird stark reaktives Ozon ins Abwasser eingeblasen, sodass die organischen Verbindungen von Mikroverunreinigungen wie Keimen, Viren, Medikamentenrückständen und Spurenstoffen aufgespalten und von Bakterien in der nachfolgenden Sandfiltration abgebaut werden. Weitere Informationen

Grafik zeigt alle vier Reinigungsstufen des Klärwerks Friedrichshafen
Gra­fik: Fi­ve-T Com­mu­ni­ca­ti­on GmbH

Kontinuierlich wird die Kläranlage an Umweltbelastungen, Gebietserweiterungen, gesetzliche Rahmenbedingungen und an den aktuellen Stand der Technik angepasst. Neben dem 2008 errichteten Blockheizkraftwerk, das bis zu 60 Prozent des klärwerkeigenen Energiebedarfs deckt, wurde Anfang 2021 die neue Ozonungsanlage in Betrieb genommen.

1965 – Inbetriebnahme des Klärwerks Friedrichshafen mit 1. Reinigungsstufe (Mechanische Reinigung) und 1. Faulbehälter
1970 – Inbetriebnahme der 2. Reinigungsstufe (Biologische Reinigung)
1973 – Fertigstellung der direkten Seezuleitung
1974 – Inbetriebnahme der 3. Reinigungsstufe (Chemische Reinigung), Inbetriebnahme Biogas-Verwertung über Gasmotoren
1978 – Fertigstellung Schlammbehandlungsanlage mit 2. Faulbehälter
1985 – Inbetriebnahme Schlammentwässerungsanlage mit Kalkzusatz
1986 – Bau Schneckenpumpwerk und Regenüberlaufbecken 33
2001 – Modernisierung der 2. Reinigungsstufe (Biologische Reinigung)
2004 – Erweiterung der 3. Reinigungsstufe (Flockungsfiltration)
2008 – Inbetriebnahme des klärwerkeigenen Blockheizkraftwerks
2015 – Instandsetzung Einlaufhebewerk und Vorklärbecken
2021 – Inbetriebnahme der 4. Reinigungsstufe (Ozonungsanlage - Spurenstoffelimination)

Ozonungs­an­la­ge

Oxi­da­ti­on von Mi­kro­ver­un­rei­ni­gun­gen mit­tels Ozon

Um Spurenstoffe aus Medikamentenresten, Hormonen, Röntgenkontrastmitteln, Haushalts- und Industriechemikalien sowie aus Bioziden und Pestiziden zuverlässig aus dem Abwasser zu eliminieren, wurde im Januar 2021 die neue Ozonungsanlage im Klärwerk Friedrichshafen in Betrieb genommen.

Die Ozonung bezeichnet die Oxidation von Abwasserinhaltsstoffen mit Hilfe von Ozon (O₃) und zählt zu den effektivsten und ökonomischsten Prozessen für eine 4 . Reinigungsstufe. In insgesamt drei Schritten werden dabei bis zu 80 Prozent der im mechanisch-biologisch gereinigten Abwasser enthaltenen Mikroverunreinigungen zuverlässig abgebaut:

  1. Flüs­si­ger Sau­er­stoff wird vom gro­ßen Rein­sau­er­stoff­tank zum Ver­damp­fer ge­lei­tet, wo der Sau­er­stoff gas­för­mig wird und dann in den Ozon­ge­ne­ra­tor ge­führt wird.

  2. Im Ozon­ge­ne­ra­tor wird der gas­för­mi­ge Rein­sau­er­stoff (O₂) durch elek­tri­sche Ent­la­dung auf­ge­spal­ten, so­dass sich Ozon-Mo­le­kü­le (O₃) bil­den. An­schlie­ßend wird das Ozon mit­tels Dif­fu­so­ren durch das me­cha­nisch-bio­lo­gisch ge­rei­nig­te Ab­was­ser in den Ozon­re­ak­tor ge­bla­sen.

  3. Im Ozon­re­ak­tor spal­ten O₃-Mo­le­kü­le die or­ga­ni­schen Ver­bin­dun­gen von Kei­men, Viren und Spu­ren­stof­fen auf, so­dass Zwi­schen­stof­fe (Me­ta­bo­li­te) ent­ste­hen. Zur Ent­fer­nung die­ser Zwi­schen­stof­fe ist dem Ozon­re­ak­tor eine Sand­fil­tra­ti­on nach­ge­schal­tet.

Grafik zeigt Funktion der Ozonungsanlage
Gra­fik: Fi­ve-T Com­mu­ni­ca­ti­on GmbH

Abbau von Mi­kro­ver­un­rei­ni­gun­gen: Die Wir­kung von Ozon bei der Ab­was­ser­rei­ni­gung

Ozon ist ein reaktives Gas, das aus drei Sauerstoffatomen besteht (O₃). Im Ozongenerator werden daher Sauerstoffmoleküle (O₂) durch elektrische Entladung aufgespalten, sodass sich nun drei Sauerstoffatome zu einem Ozonmolekül (O₃) verbinden können.

Da die Ozonmoleküle im Ozonreaktor mit dem mechanisch-biologisch gereinigten Abwasser in Kontakt kommen, bilden sich Hydroxylradikale. Dabei handelt es sich um Moleküle, die aus einem Wasserstoffatom und einem Sauerstoffatom bestehen und daher in der Lage sind, die organischen Verbindungen der Mikroverunreinigungen im Abwasser aufzubrechen. Im Wasser verbleiben nun aktivierter Sauerstoff sowie Metabolite, die als Zwischenstoffe bei der nachgeschalteten Sandfiltration entfernt werden.

Pro­jekt­da­ten

Projektplanung: 2017 – 2019
Baubeginn/-abschluss: 2019 – 2021
Projektbudget: 4,4 Millionen Euro
Abbaugrad: Spurenentnahme der 7 BW, Substanzen von 82 Prozent
Reaktorvolumen: 820 m³
Bauwerksvolumen: 3.400 m³
Durchflussmenge (Vollstrom): max. 910 l/s

Schlamm­be­hand­lung & Me­than­gas­ver­wer­tung

Faul­be­häl­ter

Im Faulbehälter erfolgt der Abbau organischer Substanzen mittels Bakterien ganz ohne Sauerstoffzufuhr. Als Nebenprodukt entsteht Faulgas, das im Gasbehälter zwischengespeichert wird, bis es energetisch verwertet wird.

Gas­be­häl­ter

Der aus Stahlwellblechringen bestehende Gasbehälter verfügt über einen innen liegenden Speicherballon, in welchem das Faulgas gespeichert wird.

Block­heiz­kraft­werk

Die beiden Gasmotoren des Blockheizkraftwerks wandeln das Faulgas in Strom um, welcher nahezu 60 Prozent des Eigenbedarfs der Kläranlage deckt. Die Abwärme der Gasmotoren wird zudem zur Beheizung der Betriebsgebäude, Faulbehälter und zur Warmwasserbereitung verwendet.

Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen

Die Eigenstromproduktion durch den Bau von Photovoltaikanlagen wird im Klärwerk stetig ausgebaut. Installierte Photovoltaikanlagen (Stand 2021): Nennleistung circa 30 kWp. Geplante Photovoltaikanlagen: Nennleistung gesamt 350 kWp

Schlamm­ent­wäs­se­rung

Um den Klärschlamm zu entwässern, wird er axial in eine Zentrifuge gepumpt, wo dank der Fliehkraft die schweren Feststoffe nach außen und das leichte Wasser nach innen gelangen. Der somit mechanisch entwässerte Schlamm wird anschließend in der thermischen Verwertung entsorgt.

SBR-An­la­ge

Im SBR-Verfahren werden das Zentrat aus der Schlammentwässerung (Zentrifuge) und das Faulwasser aus der Schlammstabilisierung (Faulbehälter) zum Stickstoffabbau unter Verwendung von belebtem Schlamm behandelt. Hierbei wird nur ein Becken verwendet, in dem nacheinander folgende Betriebszustände eingestellt werden: Füllphase, Belüftungsphase, Mischphase, Absetzphase und Entleerungsphase. Die Anlage arbeitet im Chargenbetrieb. Der Zulauf erfolgt nur während der Füllphase, der Ablauf nur nach der Ablaufphase. Um einen kontinuierlichen Betrieb zu gewährleisten, ist ein Pufferbecken vorgeschaltet.

Füh­rung durch das Klär­werk

Moderne Wasseraufbereitung erleben und verstehen: Wie wird aus Abwasser wieder trinkbares Leitungswasser? Was ist ein Faulbehälter? Und welche Aufgabe haben eigentlich die „Mitarbeiter“ am Klärwerk Friedrichshafen? Diese und noch viele Fragen mehr werden im Rahmen unserer Klärwerk-Führung für Schulklassen beantwortet. Die Führungen finden individuell nach Absprache statt. Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf.

Kon­takt

Ab­tei­lung Ab­was­ser­rei­ni­gung & Klär­werk
Tel. +49 7541 928-0
In­for­ma­tio­nen & Öff­nungs­zei­ten