45 Grundsätze für den Stadtwald

Eckpunktepapier zum Waldmanagement der Stadt Friedrichshafen

  1. Die Zielsetzungen aus den gesetzlichen Grundlagen des Waldgesetzes, des Naturschutz-gesetzes, des Klimaschutzgesetzes, der Wasserrahmenrichtlinie und aller anderen beim Waldmanagement zu berücksichtigenden Gesetzen, Vorgaben und Richtlinien werden eingehalten und bestmöglich erfüllt.
  2. Beim Management des Waldes werden wissenschaftliche Erkenntnisse und hieraus abgeleitete zukunftsweisende Strategien, welche zur Erfüllung der Eigentümerinnen-Zielsetzung, der Verbesserung der Umweltsituation, zum Schutz des Naturhaushalts und zur Verbesserung der Erholungsfunktion des Waldes dienen, berücksichtigt.
  3. Die verschiedenen Waldfunktionen und Ökosystemleistungen werden ganzheitlich betrachtet. Auf den Waldflächen wird eine stark nachhaltige, multifunktionale Erfüllung aller Funktionen angestrebt. Die Zielsetzungen in den einzelnen Distrikten werden aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen bestandsindividuell, im Rahmen der auf Grundlage dieser Grundsätze zu entwickelnden Konzepten (Biodiversitätskonzept, Erholungsraumkonzept, waldbauliche Maßnahmenplanungen), festgesetzt.
  4. Zur bestmöglichen Erfüllung der Nutzfunktion des Waldes wird im Rahmen einer langfristigen Waldentwicklung in geeigneten Beständen die nachhaltige Produktion von Wertholz in Anlehnung an eine naturgemäße Waldbewirtschaftung angestrebt.
  5. Für eine nachhaltige Förderung der Nutzfunktion des Waldes erfolgt die Vorratspflege als dauerhafter Prozess zur Optimierung von Qualität, Zuwachs und Vitalität wertvoller Einzelbäume.
  6. Einer nachhaltigen Nutzfunktion des Waldes wird eine einzelbaumorientierte Pflege ausgewählter und dauerhaft markierter Bäume, in einem integrativen Nebeneinander von Bäumen die für die zukünftige Produktion von wertvollem Holz gefördert werden und Bäumen die als Habitatbäume geeignet sind, bestmöglich gerecht.
  7. Pflege und Ernte erfolgen in einem stetigen Prozess. Für eine Optimierung der Produktion von wertvollem Holz erfolgen die Eingriffe schonend mit mäßiger Eingriffsstärke und mehreren Pflegedurchgängen im Jahrzehnt.
  8. In Beständen mit hohen Anforderungen an den Erholungswert und vorrangiger Eignung für eine langfristige Produktion von wertvollem Holz erfolgen bestandsweise nur geringe Schwankungen von Optimal-Vorrat, Zuwachs und Nutzung um die Ausgangssituation bestmöglich für den Umbau hin zu stabilen Dauerwäldern nutzen zu können, welche auch den Anforderungen an attraktive Erholungswälder und dem Klimaschutz bestmöglich gerecht werden.  
  9. Durch regelmäßige Pflegeeingriffe und Durchforstungen zur Förderung der Einzelbaum- und Bestandsstabilität (in Beständen welche nicht vorrangig naturschutzfachlichen Entwicklungszielen dienen) und einzelstammweise Nutzungen wird jährlich Holz aus dem Stadtwald bereitgestellt.
  10. Sämtliche Maßnahmen erfolgen unter größtmöglicher Schonung der Waldböden.
  11. Rückegassen sollen in der Regel einen Abstand von 40 Meter zueinander haben.
  12. Auf Kahlschläge wird verzichtet. Sollten dennoch Räumungen erforderlich sein, werden geeignete Maßnahmen getroffen um negativen Folgen von Kahlschlägen entgegenzuwirken.
  13. Die Erhaltung und Entwicklung der natürlichen und naturnahen Waldgesellschaften steht auch unter dem Aspekt der Klimaanpassung im Fokus. Die Resistenz, Resilienz und Anpassungsfähigkeit der Bestände kann durch das Fördern und Einbringen verschiedener Baumarten (naturnahe Baumartenzusammensetzung) erhöht werden.
  14. Wenn möglich und sinnvoll wird der natürlichen Verjüngung der Baumarten Vorrang gewährt. In Bereichen in denen hierdurch keine zukunftsfähigen Bestände zu erwarten sind, werden Baumarten eingebracht welche der Entwicklung hin zu strukturreichen, klimastabilen und ökologisch hochwertigen Waldökosystemen dienlich sind.
  15. Die Erhöhung der Baumartenvielfalt wird an geeigneten Stellen gefördert. Dabei sollen 90 % heimische Baumarten und bis max. 10 % fremdländische Baumarten integriert werden. Die Entwicklung wird dokumentiert.
  16. Wir fördern die Qualität der Lebensräume vorhandener oder erwünschter Arten im Wald aktiv.
  17. Die Quantität und die Vernetzung der Waldlebensräume wird durch ein Trittsteinkonzept gefördert (Biodiversitätskonzept).
  18. Eine Erhöhung der vertikalen und horizontalen Strukturvielfalt an Waldinnen- und Außenrändern und im Wald wird gezielt gefördert.
  19. Die Erhöhung der Artenvielfalt an wertvollen Waldinnen- und Außenrändern durch standortheimische Strauch- und Baumarten wird angestrebt.
  20. Die Förderung des Nahrungsangebots für verschiedene Tierarten an Nektar, Pollen, Steinobst, Beeren und Nüssen erfolgt in allen Beständen.
  21. Die Förderung und der Erhalt aller Habitatbäume ist obligatorisch. Dadurch werden die Bestände durch stehendes und liegendes Totholz angereichert, unter Berücksichtigung der Verkehrssicherungspflicht und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit.
  22. Zukünftige Biotopbäume werden aktiv an geeigneten Stellen ausgewählt und gefördert. 
    Diese werden dauerhaft aus der Nutzung genommen.
  23. Die natürliche Waldentwicklung wird auf geeigneten Flächen zugelassen.
  24. Feuchtbiotope werden gezielt angelegt und gefördert.
  25. Die Wiedervernässung geeigneter Flächen wird zugelassen und aktiv gefördert.
  26. Wir erfassen Habitatstrukturen und Maßnahmen zur Erhöhung der Biodiversität im Rahmen eines Monitorings (Teil des Biodiversitätskonzeptes).
  27. Die Anpassung der Schalenwildbestände wird soweit wie möglich gefördert. Wo notwendig werden Maßnahmen zur Vermeidung von Wildverbiss getroffen.
  28. Es wird kein gentechnisch verändertes Saat- und Pflanzgut verwendet.
  29. Forstwege werden regelmäßig instandgehalten und bei Bedarf instandgesetzt. Neben der Befahrbarkeit für Forstfahrzeuge wird auch auf die Wegequalität für die Nutzung durch Erholungssuchende großer Wert gelegt. Wo möglich erfolgt der Rückbau von Über-erschließung bzw. der Verzicht auf Nutzung von Forststraßen durch motorbetriebene Fahrzeuge. Die Grabenpflege zur langfristigen Erhaltung der Forstwege erfolgt schonend.
  30. Es werden geeignete Möglichkeiten für die Erholung im Wald geschaffen.
  31. Die Erholungsfunktion wird zusätzlich gezielt durch die waldästhetische Gestaltung entlang von Erholungswegen gefördert.
  32. Das Grüne Klassenzimmer wird um ein Waldpädagogikprogramm mit zusätzlichen Angeboten für Kinder und Erwachsene ergänzt.
  33. Zur Förderung eines Naturbezugs von Kindern zum Wald werden Bildungseinrichtungen und Initiativen nach Möglichkeit unterstützt.
  34. Es wird ein dauerhaft nutzbarer Walderlebnisbereich eingerichtet.
  35. Die Zusammenarbeit mit Verbänden, Organisationen und Ehrenamtlichen erfolgt aktiv.
  36. Forschung und Lehre im Wald werden wo möglich unterstützt.
  37. Der Einsatz von Kunststoffen (z.B. Wuchshüllen) im Wald wird vermieden.
  38. Pestizide werden im Stadtwald nicht eingesetzt. An geeigneter Stelle wird ein dauerhafter zentraler Holzlagerplatz eingerichtet.
  39. Düngemittel werden nicht eingesetzt. Reisig und Restholz wird wo möglich im Wald belassen um einem Nährstoffentzug entgegenzuwirken.
  40. Zur Schonung von Ressourcen sollen Produkte aus dem Stadtwald, wie beispielsweise Holz, Reisig, Wildlinge oder Samen in geeigneten Projekten selbst genutzt werden.
  41. Möglichkeiten zur Nutzung von Nichtholzprodukten des Waldes und zur Generierung von Finanzmitteln aus deren Vermarktung werden geprüft und entwickelt.
  42. Die Beantragung und Inanspruchnahme von Fördermitteln wird forciert.
  43. Für die Beteiligung Dritter (im Rahmen moderner Finanzierungsmodelle) werden zur Realisierung von Schutzzielen Möglichkeiten geprüft und vorgestellt. 
  44. Gelegenheiten zur Arrondierung städtischer Waldflächen durch Flächenzukauf bzw. durch Aufforstung werden so weit wie möglich und sinnvoll genutzt.
  45. Eine möglichst ganzheitliche und stark nachhaltige Erfüllung aller Ökosystemleistungen steht im Fokus und nicht in erster Linie die Erzielung von wirtschaftlichem Ertrag.